21 Jun
von Christian Roth - Kategorie: Allgemein, Fernsehen, Filme, Medien
Reinhard Baumgarten thematisiert in der Dokumentation „Du sollst nicht töten – Das 5. Gebot und die PC-Killerspiele“ das immer noch brisante Thema Gewalt in Computerspielen. Dabei läßt er die Spieler selbst zu Wort kommen, diskutieren und auch Computerspielen (Battlefield 2). Dieser Beitrag ist vorbildlich sachlich gehalten. Das ist genau, was die Diskussion um die Medienwirkung gewalthaltiger Spiele braucht. Zwar geben keine Wissenschaftler ihre Forschungskenntnisse preis und die Meinung der Computerfans ist verständlicherweise subjektiv, dennoch gibt der Film einen differenzierten Einblick, wie die Spieler ihr Hobby selbst erleben und bewerten. Neben der Gewalt wird auch das wichtige Thema Computerspielabhängigkeit kurz angesprochen. Den Film kann man gleich hier online sehen.
Offizielle Beschreibung zum Film:
Andi K. ist 25. In den vergangenen Jahren hat der Student der Sportwissenschaften viele Abende damit verbracht, auf Panzer, Jeeps und Kampfhubschrauber zu feuern. Benni B. ist 24. In seiner Freizeit bekämpft der gelernte Straßenbauer arabische Freischärler und chinesische Invasionstruppen. Andreas und Benjamin spielen Battlefield 2 – ein sogenanntes Killerspiel. Das biblische Gebot „Du sollst nicht töten“ gilt auf dem virtuellen Schlachtfeld nicht. Nur wer schnell schießt und genau zielt, kann gewinnen. Deutschlandweit „zocken“ Millionen von Spielern – mehrheitlich junge Männer – täglich viele Stunden und trainieren ihre virtuelle Fähigkeit zu töten. Killerspiele stehen seit dem Amoklauf von Erfurt mit 17 Toten unter Generalverdacht. Zu Unrecht, sagen Andi und Benni, die für sich beanspruchen, ein ausgeglichenes und sozial engagiertes Leben zu führen. Können Killerspiele wirklich Teil eines friedlichen Lebens sein? Oder steigert das stundenlange Ballern am PC Wut und Aggressivität, die Mitgefühl und Toleranz anderen gegenüber erschweren?
Hier kann man sich die Dokumentation online anschauen:
12 Kommentare
Christian Roth
21|Jun|2008 1Die spannende Frage lautet, vorallem wenn man den Film gesehen hat: Macht es einen Unterschied, im realen Wald, Räuber und Gendarm bzw. Cowboy und Indianer zu spielen im Vergleich zum Spielen am Computer in der Rolle des Soldaten gegen Terroristen und gegen sonstige Feinde? Freue mich über alle Meinungen!
Alexander Stoll
13|Aug|2008 2JA! Es macht einen Unterschied – und zwar einen ganz gewaltigen (auch ohne den Film bislang gesehen zu haben, er kommt ja zum Glück heute Abend auch im Fernsehen…)
Der Unterschied betrifft das Verhältnis von Spiel und Nicht-Spiel – und damit das Verhältnis von Spieler und Realität – und damit die Wahrnehmung sowie Interpretation und ggf. Funktionalisierung von Spielinhalten – also auch und insbesondere GEWALT.
Wie Huizinga, Caillois und wie sie alle heißen so schön herausgearbeitet haben, zeichnen sich Spiele durch einen ‚magischen Zirkel‘ aus, der im Falle ‚herkömmlicher‘ Spiele (Fangen, Cowboy und Indianer, Brettspiele…) durch eine aktive Leistung der Mitspielenden hergestellt wird (oder durch materielle gegebenheiten wie abgegrenzte Spielfelder noch unterstützt wird). Die in den GameStudies berechtigter Weise gestellte Frage, was es denn mit diesem Magic Circle im Computerspiel auf sich habe, ist bislang unbeantwortet. Denn Computerspiele bilden ihren Magic Circle – sofern vorhanden – m.E. eben dadurch aus, dass sie eine virtuelle Realität konstituieren, in der Dinge möglich sind, die im herkömmlichen Spiel nicht möglich sind. Denn hier ist der magische Zirkel durchbrochen, sobald z.B. aus Spiel Ernst wird, der Tiefschlag regelwidrig eingesetzt oder die Spielzeugpistole eine echte wird…
Damit haben wir es mit einem veränderten Verhältnis von Spiel zu Realität zu tun und damit wiederum ist es nicht mehr ohne weiteres möglich, Bedeutungszuschreibungen aus der Welt ‚herkömmlicher‘ Spiele auf Computerspiele zu übertragen.
WELCHE Bedeutungen Spieler Gewalt-Inhalten in Spielen zuschreiben ist bislang äußerst unzureichend untersucht, insbesondere nicht in ausreichender Differenziertheit, die die unermessliche Fülle an Ausprägungen von Spielen, genres und Konzepten berücksichtigen würde…
Christian Roth
13|Aug|2008 3Hallo,
danke für Deinen interessanten Beitrag!
Es macht auch meiner Meinung nach einen Unterschied, ob das Spiel anhand der Phantasie zum Leben erweckt oder ob es immer realistischer in einer Simulation dargestellt wird. Der Unterschied zwischen Spiel und Realität bleibt jedoch bestehen.
Die Waffen im Computerspiel sind ja schließlich auch keine echten Waffen. Sie sehen allerdings oft ziemlich echt aus. Damals gab es schon die Wirkungsdiskussion bezüglich Spielzeugwaffen, die realen Waffen in irgendeiner einer Form ähneln. Diese Diskussion hat sich nun verlagert.
Ich denke auch, dass es einen Unterschied macht, real im Wald zu spielen verglichen mit dem virtuellen Spiel in einem Wald der durch Computerchips erstellt wurde. Noch ist man bei Computerspielen ja doch auf die Sinne Hören und Sehen beschränkt. Was man haptisch fühlt sind meistens Peripheriegeräte, die im besten Fall etwas rütteln (Force Feedback, Rumble Controller). Wie vielfältig man die Realität erfahren kann, ist ja (hoffentlich) jedem bekannt.
Aber der magische Zirkel existiert meiner Meinung nach auch in digitalen Spielen. Vielleicht hängt es vom Spieler und der Spielwelt ab, aber sobald dieser Zirkel durchbrochen wird, kann das Spiel von den Teilnehmern beendet werden. Ein gesunder Mensch, der neben dem Spielen auch noch „normale“ reale Erfahrungen macht, wird Spiel und Realität nicht so leicht verwechseln. Das ändert jedoch nichts daran, dass reale Gewalt als angemessene Option betrachtet werden kann. Hier könnte die intensive Nutzung gewalthaltiger Medien die Wirkung einer gewalthaltigen Umwelt (Familie, Freunde, Viertel etc.) noch verstärken. Ich halte auch eine Wechselwirkung für wahrscheinlich. Interessant wären Fallbeispiele, bei denen wirklich die gespielte Gewalt als Auslöser von realer Gewalt nachzuweisen ist. Teilweise wird das ja genauso behauptet. Experimentell ist so etwas schwer nachzuprüfen. Es gibt jedoch einige Studien, die nach Medienkonsum mit Gewaltinhalten eine erhöhte Aggressivität erfasst haben wollen. Die bekannten Milgramexperimente zeigen, dass schon alleine das Versuchssetting (ohne Gewalt und ohne Gewaltspiele) ausreicht, um viele Menschen aggressive Handlungen zu vollbringen. Hierzu vielleicht in einem der kommenden Blogposts mehr.
Julian
13|Aug|2008 4Bevor ich mir die Dokumentation ansehe, muss ich loswerden, dass ich den Titel reißerisch finde. Ich sehe nicht, warum Menschen, vielleicht sogar Wissenschaftler, die objektiv Feststellen (wollen) auf das Niveau eines gewissen deutschen Boulevardblattes fallen, noch dazu, wenn von „vorbildlicher Sachlichkeit“ die Rede ist.
Das Wort „Killerspiel“ ist für mich ein Unwort sondergleichen und erschwert konstruktive und objektive Berichterstattung, bei der pejorativen Konnotation, die es doch hat. Man sollte es begraben.
Und mein erster Gedanke, als ich den Titel las, war, dass etwas, das nicht lebt, nicht sterben kann; eine insofern unpassende Kombination.
So. Genug gemosert, ich schau mir mal den Film an.
Christian Roth
13|Aug|2008 5Ja, der Titel ist wirklich reißerisch. Da der Film inhaltlich aber viel besser ist als der Titel vermuten lässt, habe ich mich meiner Beschreibung darauf konzentriert.
Das ändert nichts an Deiner guten Bemerkung, dass man das Wort Killerspiel nicht mehr verwenden sollte. Leider hat es sich (wie auch das Wort Computerspielsucht) in der Allgemeinsprache schnell duchgesetzt. Will man die Leute erreichen, so wird schnell auf einen reißerischen Titel zurückgegriffen. Hat jemand Bildniveau gesagt?
Thomas
13|Aug|2008 6Es ist aufjedenfall mal schön einen Bericht zu sehen, indem nicht alle Spieler von vornhinein als Psychos, Mörder und was den Leuten sonst so einfällt bezeichnet werden. Ich spiele auch Shooter und ich liebe sie. Ich selbst bin auch kein aggressiver Mensch und ich sollte es ja wissen. Jemand der noch nie über längere Zeit gespielt hat, oder sich darüber informiert hat, hat überhauptnicht das Recht solche extremen Äußerungen darüber zu machen. Ich denke dabei an Wörter wie “ Mörder “ oder “ Killerspiele/r “ Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in Deutschland niemals zu einem Verbot kommen wird.
Davon mal abgesehen sieht das Thema kein anderes Land so kritisch wie Deutschland und an dieser Stelle hab ich mich schon oft gefragt woran das liegt. In Österreich zB kümmert man sich aktuell kaum um das Thema und dort erscheint jeder Shooter Uncut ( ungeschnitten ), während hier zu Lande selbst Shooter mit der einstufung USK 18 geschnitten sind. Kein wunder, dass viele Zocker ihre Spiele aus Österreich beziehen.
Aber wie gesagt: Für mich ist das Thema längst gegessen, alles andere wäre Zeitverschwendung.
Excessive
14|Aug|2008 7Schöner Film. Auch wenn der Typ mit den Fischen genervt hat 😀
Immerhin mal was anderes.
Trotzdem ist und bleibt Deutschland ein konservativer Zensurstaat.
Und gut, dass diese übertriebene Konservativität der Politiker, kontroverse Beispiele, etc. aufgeführt wurden. Dadurch war teilweise eine Objektivität gegeben, wenn auch die üblichen, reißerischen Schlagworte vorhanden waren. Leider kommen solche Reportagen nicht öfter. Das ÖRF ist nicht besser als das vielgescholtene Privatfernsehen. Das hier war immerhin ein Anfang, wenn auch noch unbeholfen, trotzdem sehr konservativ in der Machart. Aber mal sehn, was kommt.
Alex
14|Aug|2008 8Mal abgesehen von dem Titel, war das mal eine recht objektive Dukumentation, ich selbst spiele ebenfalls solche Spiele allen voran Call of Duty4, welches schon sehr detailgetreu und realitätsnah ist, aber zum Vergleich, ich finde es wesentlich schlimmer, wenn man Spielzeugwaffen(egal ob diese jetzt nur den Ton von Schüßen abgeben oder tatsächlich mit kleinen Plastikkugeln schißen) Kindern im Alter von ca. 6 Jahren verkauft, und diese dann wild schreiend und schießend in der Gegend herumlaufen und auch noch aufeinander zielen. Wenn es nach den Meinungen diverser Medien gehen würde, müsste ich mindestens schon einmal aufgrund meiner schlechten Noten in die Schule gestürmt sein und wild um mich geschossen haben; aber trotz stundenlanger(manchmal auch den ganzen Tag) Gemetzel auf dem virtuellen Schlachtfeld, habe ich weder schlechte Noten noch Bestrebungen auf einen Amoklauf.
Noch eine Anmerkung zum Vergleich mit Räuber und Gendarm, es ist so nicht vergleichbar, da die „Realität“ am Computer eben nur virtuell ist, so gesehen ist es fast harmloser als Räuber und Gendarm, solange man die Grenze zwischen Virtualität und Realität noch selbst unterscheiden kann.
Und zu Thomas: Das Problem ist, das wir in Österreich meistens nur die schon zensierten Versionen aus Deutschland erhalten, der einzige Unterschied zu Deutschland ist dann meist nur mehr die Altersbeschränkung.
maya
14|Aug|2008 9Verzeihung bitte, aber Battlefield 2 ist ein Spiel ab 16! Wie kann man das bitte mit Spielen von Kindern vergleichen, die im Wald rumhüpfen und sich dort austoben?
Mir geht diese Unfähigkeit auf den Geist Unterhaltung für Erwachsene von „Spielen“ im Sinne von „Spiele für Kinder“ zu unterscheiden.
Das mal vorweg, denn die meisten „Killerspiele“ sind ab 16 oder sogar ohne Altersfreigabe, was ich persönlich sehr gut finde, denn Kinder sollten vor hirnloser Gewalt zumindest solange bewahrt werden, bis ihre Eltern sich mal die Zeit nehmen, um ihren Pflichten als Erzieher nachzukommen und nachzuschauen, was das Kind so in seiner Freizeit macht und ob es reif genug dafür ist.
Diese Spiele sind für Erwachsene oder Menschen (die zumindest so gut wie Erwachsene) sind gedacht, die schon längst zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können.
Zumal die meisten Zocker (inklusive mir) Blutanimationen zum Beispiel komplett abschalten, weil sie nur nerven, die Sicht nehmen oder die Performance runterziehen.
Ich fühle mich, wenn ich denn mal ET oder Unreal spiele, eher als würde ich mit Hilfe von virtuellen Figuren Verstecken und Fangen mit einigen taktischen Komponenten spielen.
Schön, dass diese Dokumentation mal zeigt, dass wir Zocker auch normale Menschen sind mit genauso langweiligen oder interessanten Hobby und Leben wie alle anderen auch. 😀
Manuel
18|Aug|2008 10Also ich finde man kann das nicht vergleichen, killerspiele helfen Aggresionnen abzubauen, außerdem ist das alles virtuell und passiert nicht in echt!
Christian Roth
18|Aug|2008 11Danke für die vielen Kommentare, es ist sehr schön, hier so viele Meinungen zu versammeln.
Der Film ist im Großen und Ganzen positiv aufgenommen worden. Vielleicht ist dieser reißerische Titel nützlich, Computerspielgegner zum Einschalten zu bewegen. Was sie dann erwartet ist statt weiterer Polemik eine relativ sachliche Auseinandersetzung, die Vorurteile abbauen könnte.
Computerspiele sind Mainstream. Sie werden von allen möglichen Menschen genutzt. Darunter sind bestimmt auch welche, denen es nicht so gut bekommt. Es ist schließlich eine Frage der Wechselwirkung zwischen Inhalt und Nutzer.
Manuel kann womöglich Aggressionen mit Spielen abbauen. Ein anderer lernt vielleicht anhand Computerspielen, mit Frustration umzugehen.
Und dann gibt es leider noch die Nutzer, die sich an der Gewalt ergötzen und sich beim virtuellen Schießen vorstellen, die Gegner wären ihre Lehrer, Feinde etc. Das sind Ausnahmen, aber ich habe das schon oft von Kindern und Jugendlichen gehört. Wichtig: Das heißt aber nicht, dass diese Jugendlichen diese Vorstellung dann auch umsetzen wollen.
Ein normaler Mensch würde das auch nicht machen, oder? Was ist mit denen, die schon eine Persönlichkeitsstörung (oder ähnliches) mitbringen? Hier kann sich ein Gewaltspiel ganz anders auswirken.
Leider wird in der Medienwirkungsdiskussion selten genug differenziert. Aussagen, wie „Killerspiele machen dumm und aggressiv“ verkaufen sich als Schlagzeile besser als „gewalthaltige Computerspiele können unter bestimmten Umständen im Zusammenhang mit vielen externen Faktoren einen negativen Einfluss bei der Entwicklung eines Menschen haben“. Das ist zudem noch sehr oberflächlich, also müsste man schon für die Überschrift sehr viel Platz einräumen. Zweites Problem: Die genauen Umstände, bei denen ein Spiel eine negative Wirkung hat, sind schwer zu bestimmen. Wird sehr viel Gewalt konsumiert, und die Gewaltbereitschaft beim Konsumenten steigt, ist es schwer zu sagen, wieviel Anteil nun die einzelnen Medien Fernsehen, Comics, Video, Musik und Computerspiel hatten. Meiner Meinung nach, haben Faktoren wie das familiere Umfeld, die Freunde, der Wohnort und natürlich die Persönlichkeit einen entscheidenden Einfluss. Dieser bestimmt übrigens auch die Wahl der Medieninhalte.
Andi
18|Mrz|2009 12Ohne Killerspiele wird es keine Amokläufe mehr geben? Meine These: Wenn einer Charakterschwäche hat, sollte er auch ohne Killerspiele zum Killer werden.
Killerspiele sind nur ein Teil des Ganzen. Man sollte im sozialen Umfeld, zB der Schule und Familie, schauen und dort anfangen zu arbeiten.
Das zum Thema Politik.
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